Teil 4 der Interview-Serie „Schluss mit unglücklichem Langzeit-Single-Dasein“
Meine Gesprächspartnerin Birgitt St. ist seit 10 Jahren Single. Am Singleleben schätzt sie die Freiheit und Eigenständigkeit, die sie in der Rolle der Frau in einer Paarbeziehung, die ihr vermittelt wurde, zu wenig leben konnte. Das wurde auch zur Schwierigkeit in den Beziehungen. Sie ist heute 63 Jahre, war zweimal verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Ihre letzte feste Beziehung dauerte 4 Jahre.
Wie hast du Familie und Beziehung in deinem Elternhaus erlebt?
In meiner Generation hat man als Frau noch gelernt, dass sie primär für das Wohl der Familie zuständig ist. Ich bin in einer Akademikerfamilie mit 4 Geschwistern aufgewachsen. Meine Mutter war die treibende Kraft in der Familie, was sie auch als Unternehmerin und Familienmanagerin lebte. Es war ihr wichtig, dass man vor allem als Tochter vermittelt bekam, eigenständig sein zu können. Mein Vater war ein intellektueller und weichherziger Mensch. Meine Eltern haben sich gegenseitig wertgeschätzt.
Wie hat sich das in deinen Beziehungen ausgewirkt?
Meine erste Ehe richtete sich dann auch nach diesem Muster - Mann und zwei Kinder umsorgen und die Eigenständigkeit wahren. Mein Mann verließ mich mit seiner Sekretärin, da er mit der Behinderung unserer Tochter nicht klar kam. Das war sehr traumatisch für mich. Er hat mich dann auch kaum aktiv unterstützt, und ich musste viel arbeiten, um mir eine Haushälterin und ein Kindermädchen zur Unterstützung leisten zu können, da ich die Kinder nicht ausser Haus geben wollte - besonders im Hinblick auf meine Tochter.
Trotzdem ging ich nach 2 Jahren wieder eine neue Beziehung ein. Ich wollte, dass die Familie nicht mehr alleine ist, und ich wünschte mir Unterstützung durch einen Mann. Mein 2. Ehemann und ich bekamen noch ein gemeinsames Kind. Auch diese Ehe lief nach dem erlernten Muster und ging nicht gut. Wir waren beide ziemlich hitzköpfig. Als es mir gesundheitlich sehr schlecht ging, hat er unsere gemeinsame Firma ohne mein Einverständnis auf sich überschrieben. Seine Bemerkung "Gott erhalte mir meine Gesundheit und die Arbeitskraft meiner Frau" machte das Maß schließlich für mich voll, und ich trennte mich von ihm.
Woran zerbrach deine letzte Beziehung?
Mein Partner hatte psychische Probleme. Er litt unter Spielsucht und hat auch mich bestohlen. Das war für mich und meine Kinder eine belastende Situation. Zwei meiner Kinder lebten während dieser Beziehung noch bei uns. Die Beendigung war für mich eine Erleichterung - es ging uns besser damit.
Hast du danach etwas unternommen, um nicht alleine zu bleiben, und welche Erfahrungen hast du dabei gemacht?
Meine Erfahrungen mit Singlebörsen waren ent - täuschend im positiven Sinne, denn sie bieten keine reale Begegnungsqualität. Ich habe bemerkt, dass virtuelle Kontakte nicht mein Metier sind. Das "Pseudo-Geflirte" ist mir zu unpräzise. Den Computer nutze ich lieber nur beruflich, nicht als Unterhaltungsmedium. Eine reale Begegnung hat sich zwar daraus ergeben, aber die Erwartungshaltung war auf beiden Seiten zu unterschiedlich. Er hatte sich sofort "mehr" vorgestellt.
Was bedeutet für dich reale Begegnungsqualität?
Direkte Begegnungen im privaten Umfeld sind mir am liebsten, bei denen man sich über gemeinsame Interessen kennenlernen kann. Meinen ersten Mann habe ich z. B. über eine Verbindungsveranstaltung meines Vaters kennengelernt und den zweiten bei einer Faschingsfeier von Bekannten.
Ich gehe auch nicht in Bars in der Erwartung, dort einen Mann kennenzulernen, auch wenn ich nichts gegen Flirts habe, aber man muss im direkten Kontakt merken, ob der Funke überspringt.
Welche Erkenntnisse hast du aus deinen Beziehungen gezogen, unter deren Voraussetzung du heute bereit wärst, dein Singleleben noch einmal aufzugeben?
Wenn ich noch einmal eine Verbindung zu einem Mann eingehen würde, müsste es eine andere Art von Beziehung sein als bisher - eine bei der jeder sein Leben selbst gestaltet und sich nicht vom Partner abhängig macht. Denn ich schätze an meinem Singleleben die Freiheit, im eigenen Rhythmus sowie in der eigenen Intensität und Qualität zu leben.
Aber ich bin auch weiter offen für eine Beziehung, da ich gerne Gesellschaft habe und Sex mag. Es muss sich jedoch ergeben. Ich suche nicht gezielt.
Ich bin sehr aktiv, arbeite als Physiotherapeutin und in der Gesundheitsprävention, bin Obfrau des Kulturvereins und Leiterin der Erwachsenenbildung des Bildungswerks in meiner Stadt. Ich führe also ein eigenständiges Leben und brauche keinen Mann mehr, der umsorgt werden will.
Eine neue Verbindung ginge nur mit einem Mann, der sich selber mit dem Leben auseinandergesetzt hat und eine Beziehung auf Augenhöhe zu einer Partnerin schätzen kann, die ihr Leben zu führen weiß. Zu meinem ersten Mann ist es heute z. B. wieder möglich Kontakt zu haben, da es bei uns kein Anspruchsdenken mehr gibt.
Was würdest deinem 18jährigen Ich mit deiner heutigen Erfahrung raten?
Meinem 18jährigen Ich würde ich heute Folgendes raten:
Setze dich damit auseinander - im Wortsinne des Auseinandersetzens nicht des Zusetzens - mutig genug zu sein, um zu sagen, was du dir wünschst, nicht was andere sich vorstellen und wünschen. Denn wenn du dein Leben nach den Vorstellungen anderer ausrichtest, wird es nicht besser.
Mein Motto heißt: "Was mich anzieht, wird mich trennen, außer ich entfalte es."