Teil 3 der Interview-Serie „Schluss mit unglücklichem Langzeit-Single-Dasein“
Ursula Röösli ist eine besonders außergewöhnliche Frau - nicht freiwillig Single, aber glücklich.
Single aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen
Ursula ist 44 Jahre, lebt in der Schweiz und ist seit 11 Jahren Single. Nachdem sie mehrere schwere Unfälle hatte, ist sie gesundheitlich stark beeinträchtigt.
Sie sagt: "Ich bin keine feste Beziehung mehr eingegangen seit 2005. Allerdings war das keine bewusste Entscheidung. Ich bin nach mehreren Unfällen gesundheitlich beeinträchtigt, was so bleiben wird und lebe eigentlich kein Leben mehr, wie die meisten "gesunden" Menschen das kennen. Mein Tag hat durchschnittlich 4-5 Stunden, die restliche Zeit muss ich meist liegend ruhen."
Vor ihrem letzten Unfall vor 16 Jahren zerbricht ihre 9jährige Beziehung an den veränderten Lebensumständen, die Folge der Unfälle waren.
Welche Schwierigkeiten führten zur Beendigung deiner langjährigen Beziehung?
Es war eine schwierige Trennung, wir hatten viel Streit. Der Alltag hatte sich einfach zu sehr verändert. Wir haben uns gegenseitig verletzt. Ich habe damals lange gebraucht, um meinen Zustand zu akzeptieren und mit den neuen Umständen umzugehen. Ich konnte lange nicht akzeptieren, dass es nicht mehr so war wie früher. Früher waren wir beide sehr aktiv. Das ging nun nicht mehr, es war nicht mehr in der Balance. Ich konnte ihm auch nicht mitteilen, wie er mich unterstützen kann. Ich musste erst selber lernen, mit den neuen Gegebenheiten umzugehen und mir mit und mit kleine erreichbare Ziele zu stecken. Da der Unfallversicherer lange nicht zahlte, mussten wir aus finanziellen Gründen noch eine Weile weiter zusammen leben. Seit wir unsere Beziehung geklärt hatten, war das aber in Ordnung.
Warum war die Trennung besser für dich, und wie hat sich dein Leben verändert?
Nachdem ich dann ausgezogen war, begann ein neuer Weg für mich - die Entwicklung daraufhin war das Beste, was mir passieren konnte. Aber es war eine Entwicklung, in der ich mich erst von dem Bild, das ich bis dahin von mir und meinem Leben hatte, lösen musste. Das ging nicht von heute auf morgen. Anfangs hatte ich alle 15 Monate einen Zusammenbruch, weil ich nicht akzeptieren konnte, dass ich nicht mehr so leistungsfähig war wie früher und bis ich einschätzen konnte, was möglich ist und mir gut tut. Mit einem Partner ist das für mich schwieriger. Wenn man nicht alleine lebt, nimmt man automatisch Rücksicht auf den anderen. Es ist in meiner Lebenssituation anstrengend für mich, mich an einen Partner anzupassen und mich damit nicht zu überfordern. Durch die Unfallfolgen kann ich nur noch wenige Aktivitäten durchführen. Wenn ich alleine lebe, fühle ich mich freier in meiner Lebensführung. Deshalb hatte ich danach nur noch kürzere unverbindliche Beziehungen, bis auf eine 3jährige Beziehung mit einem Ausländer.
Warum hast dich trotzdem wieder auf eine Beziehung eingelassen?
Er war hartnäckig und hat mich schließlich überzeugt, eine Beziehung zu versuchen, obwohl ich das zuerst nicht wollte. Er hatte ein gutes Gespür und konnte gut mit meiner Behinderung umgehen. Das funktionierte deshalb ganz gut. Trotzdem war auch in dieser Beziehung eine Abgrenzung nicht soweit möglich, dass ich so an meine Bedürfnisse und Möglichkeiten angepasst leben konnte, wie als Single. Getrennt haben wir uns, als seine Aufenthaltserlaubnis ablief. Deshalb zu heiraten, war keine Option für uns. Unser Zusammenleben funktionierte zwar recht gut, aber er war beruflich nicht glücklich. Wir haben heute noch immer Kontakt.
Vermisst du heute einen Partner an deiner Seite?
Eine neue Beziehung schließe ich nicht aus, aber ich suche nicht. Neben der Schwierigkeit, mein Leben an einen Partner anpassen zu müssen, wäre die Sexualität ein weiteres Problem in einer Beziehung. Das ist nicht einfach, weil es wegen meiner Behinderung mit Beschwerden verbunden ist. Das kann frustrierend und kompliziert sein.
Deine Mutter ist deine enge Vertraute. Wie kann sie mit den Folgen deiner Unfälle umgehen?
Die Umstände haben uns zusammengeschweißt. Es tut ihr zwar leid, dass sie keine Enkel haben wird, aber wir können gut miteinander reden. Sie kennt auch die Momente, in denen es mir nicht so gut geht. Meine Mutter ist auch im Alltag eine große Hilfe für mich, und sie hilft mir bei den Dingen, die ich nicht alleine kann, z. B. einkaufen.
Warum bist du trotz aller Einschränkungen so ausgeglichen und glücklich?
Für mich ist nur wichtig, was geht - und nicht, was nicht geht. Eines der Dinge die gehen, ist meine Arbeit für ein Telefonspiel, wobei ich Anrufern auf Fragen zu einem Stadtspiel antworte. Das kann ich im Liegen tun. Das macht mir Spaß, und ich genieße so den Kontakt nach draußen. Wenn ich nur liegen kann, weil die Grenze meiner Belastbarkeit erreicht ist, kann ich zwar nicht lesen oder fernsehen, aber ich habe mein "Meerschweinchen-TV". Meine 6 Meerschweinchen und mein Kater laufen frei in der Wohnung herum und sind sehr zutraulich.
Warum ist für dich die Entwicklung deines Lebens mit allen Schwierigkeiten das Beste, was dir passieren konnte?
Mein Leben ist erfüllend für mich, wie es ist, ob mit oder ohne Beziehung. Ich habe gelernt, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich kann und auf schöne Dinge zu achten. Dann empfinde ich auch meine Schmerzen weniger. Ich kann das Glück in kleinen Dingen finden. Glück kann man sehen, wenn man es sehen will. Das kann man trainieren, dann sieht man immer mehr davon. Das sage ich auch den Kindern beim Tennis, die ich unterrichte.
Mittlerweile sehe ich mich als privilegiert: Ich habe ein tolles Umfeld und tolle Freunde. Ich bin da heute kompromisslos und umgebe mich nicht mehr mit Menschen, die mir nicht gut tun. Dazu ist mir die kurze Zeit, in der ich aktiv sein kann, einfach zu kostbar. Wenn ich wieder alleine bin, kann ich von diesen schönen Erlebnissen noch lange zehren.